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Brennende Liebe
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Anni bleibt stehen und blickt verdutzt über den Jägerzaun hinüber zu ihren Nachbarn. Mitten auf dem grünen Rasen prangt dort ein Beet mit feuerroter Blütenpracht.
Am Montag, als Anni zu ihrer Fortbildungswoche losgefahren ist, war das noch nicht da!
Und Nachbarin Simone hatte bisher nicht viel übrig für Blumenbeete. Spießig findet sie die. Und viiiel zu aufwendig. Simone will alles möglichst einfach haben. Und möglichst sofort. Und möglichst exquisit.
Dass diese Wünsche in Erfüllung gehen, dafür sorgt Fred. Er kann sich das leisten. Ist irgendein hohes Tier in der Technologiebranche. Und dauernd unterwegs. Als Entschädigung sagt er: „ Ja, Liebling – natürlich, Liebling — gerne, Liebling“ … egal, mit was für Ideen Simone ankommt.
Jetzt hat sie anscheinend beschlossen, den Garten umzugestalten. Neben dem Beet, dessen leicht hügelige, rechteckige Form Anni an etwas erinnert, was ihr aber im Moment nicht einfällt, stapeln sich leere Pflanzencontainer. Und inmitten der roten Pracht hockt ein Gartenzwerg, der eine verschnörkelte Laterne schwingt.
Anni rümpft die Nase. Wohlhabend bedeutet nicht gleichzeitig Geschmack habend. Auch wenn die Beetfarbe zugegebenermaßen der absolute Hammer ist, wie sie neidvoll denkt. Da kommt ihr eigener Garten nicht mit.
Sie wendet sich ab und zieht ihren Rollkoffer weiter zur Haustür.
„Schaaahatz!“, ruft sie während sie aufschließt und das Gepäck die drei Stufen hochhievt. „Jeheeens!“
Verwundert stellt Anni fest, dass ihr Mann nicht zu Hause ist. Aber na gut – sie hat durch Zufall einen ICE drei Stunden früher erwischt. Sie lächelt. Jens ist vermutlich noch einkaufen, bestimmt im Feinkostladen. Ein gemütlicher Samstagabend steht in Aussicht, mit gutem Essen, ein paar Gläschen Wein und einer Runde Kuscheln. Oder auch mehr. Anni lächelt noch breiter.
Jens arbeitet von zu Hause aus, designt Layouts für kleine Online-Projekte. Kein Job, der reich macht, aber dafür hat Jens andere Qualitäten. Und sie als Produktmanagerin in der oberen Chefetage verdient gut genug.
Anni stellt den Koffer im Flur ab und wirft einen prüfenden Blick in den Spiegel. Der nächste Friseurtermin ist bald fällig, Ansatz nachfärben. Für ihre Mitte Vierzig sieht sie gut aus, doch man darf nicht nachlässig werden. Und Jens ist acht Jahre jünger als sie.
Sie späht, nach ihm Ausschau haltend, aus dem Fenster und ihr Blick verfängt sich wieder in Nachbars Garten.
Dieses Rot! Richtig provozierend. So was hat sie tatsächlich noch nicht gesehen hier im Ort. Was das wohl für obskure Pflanzen sind?
Anni beschließt, eine Stippvisite bei Simone und Fred zu machen. Sie hat ja noch Zeit mit dem Umziehen, wenn Jens einkaufen ist, dauert das immer ein bisschen. Zumal er erst in drei Stunden mit ihr rechnet. Anni eilt wieder aus dem Haus und kurz darauf drückt sie den Klingelknopf bei ihren Nachbarn.
Simone öffnet die Haustür und schrickt zusammen. „Du!“
„Wen hast du denn erwartet? Den Weihnachtsmann?“, lacht Anni.
Simone hat sich schon wieder gefangen. „Nee, nee, du bist nur ziemlich früh zurück.“
„Woher weißt du denn, wann ich zu Hause sein wollte?“, wundert sich Anni.
Simone zuckt nachlässig die Achseln. „Von Jens.“
„Aha“, sagt Anni verblüfft, fährt aber gleich neugierig fort: „Sag mal – dieses neue Beet da – mit den roten Blumen — was hast du denn da gepflanzt? Oder vielmehr, pflanzen lassen? Hast du ja sicher nicht alleine gemacht, oder?“
Simone lächelt breit. „Nee, nee, nicht alleine. Mit Nachbarschaftshilfe. Dein Jens hat mir sozusagen assistiert.“
„Was!“ ruft Anni. „Der ist doch sonst nicht für Gartenarbeit zu haben. Bei uns jedenfalls nicht. Na, Bewegung tut ihm ganz gut. Wo er eh nur den ganzen Tag vorm Rechner hockt. Egal – jedenfalls haben die eine irre Farbe, deine Blumen da!“
Simone nickt zufrieden. „Lychnis Chalcedonica.“
„Lynchi- wie?“
„Lychnis Chalcedonica. Zu deutsch: Brennende Liebe. Eine mehrjährige Staude.“
„Und das wächst gut an auf eurem Rasen?“ Skeptisch betrachtet Anni die kurzgeschorene einheitsgrüne Fläche.
„Hm-hm“, nickt Simone, „denke schon. Braucht nur nährstoffreichen Boden.“
„Wusst’ ich gar nicht, dass ihr den habt“, grübelt Anni.
„Jetzt schon …“, meint Simone. „Ist viel biologischer Dünger reingekommen in die Erde.“
„Aha“, macht Anni erneut. „Das merk ich mir, könnte Jens auch mal bei uns anlegen, so ein Beet. Und wo steckt dein guter Fred? Arbeitet der mal wieder das ganze Wochenende?“
Simone schüttelt den Kopf. „Nee. Der hat liegt flach. Ist sozusagen etwas unpässlich, der Gute.“
In diesem Moment hört Anni einen Motor und sieht Jens mit dem Wagen in ihre eigene Einfahrt biegen.
„Ich geh dann mal“, sagt sie eilig, und Simone nickt. „Viel Spaß.“
Bis Anni das Nachbargrundstück verlassen hat und wieder in ihrem Hof angelangt ist, ist Jens schon am Ausladen und gerade irgendwo verschwunden. Die Autoheckklappe steht weit offen und aus dem Kofferraum leuchten Anni feuerrot mehrere Blumenpaletten entgegen.
„Na sowas“, murmelt sie verwundert und ruft dann laut: „Jens? Hallo — Jeheeens! Wo bist du denn?“
Nach einem Moment der Stille kommt die Antwort. „Hier hinten. Im Garten.“
Anni folgt seiner Stimme und sieht ihren Mann, der hinter dem Haus gerade eine weitere Palette blutroter Lychnis Chalcedonica auf der Erde abstellt.
Neben einem Beet, dass er dort ausgehoben hat.
Aber Moment mal – wieso hebt man ein Beet aus? Das gräbt man doch allenfalls um.
Anni runzelt die Stirn. „Was machst du denn da?“
Jens sieht sie grimmig entschlossen am. „Ich arbeite an meiner Zukunft.“
„Was?“, fragt Anni verwirrt, während ihr Blick die Umrisse des Lochs nachverfolgt.
Es hat in etwa die gleichen Ausmaße wie Simones neue Blumenpracht. Dann erkennt Anni, woran die Form sie erinnert.
Aber da hat Jens schon die große, schwere Schaufel ergriffen.
Und kurze Zeit später gibt es ein weiteres Beet voll brennender Liebe.
Mehrjährig.
Vielleicht sogar länger.
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